Gewaltbereite Fußballfans aus verfeindeten Fanlagern verbrüdern sich gegen radikale Islamisten. Unterstützt werden sie von rechtsextremen Parteien.
Vor einigen Tagen noch wehten weiße Fahnen mit dem schnauzbärtigen Konterfei von PKK-Führer Abdullah Öcalan über den Stufen vor dem Kölner Dom. Bei einem Protest von Sympathisanten der hierzulande verbotenen marxistischen Arbeiterpartei Kurdistans, der sich gegen den IS-Terror richtete. Bald wird der Protest aus einer anderen Richtung kommen. Für den 26. Oktober wollen Rechtsextremisten auf der berühmten Domplatte gegen radikale Islamisten demonstrieren. Unter dem Banner der neu gegründeten Initiative HoGeSa, Hooligans gegen Salafisten.
Der Sportsoziologe und Fanforscher Gunter A. Pilz aus Hannover fand dafür bereits den Begriff der "temporären Kampfgemeinschaft". Hooligans aus unterschiedlichen Fanlagern, die sich eigentlich feindselig gegenüberstehen, solidarisieren sich. Diese würde solange währen, wie man den gemeinsamen Feind nicht besiegt habe.
Seit dem vergangenen Jahr schmieden rechtsextreme Hooligans aus Baden-Württemberg und dem Ruhrgebiet im Verborgenen diese Allianz. Virtuell, über ein verdecktes Internetforum. Unter dem Motto "Deutsche, die sich was trauen" entwickelte sich die islamfeindliche Hetze und die Wut auf in Deutschland lebende radikale Islamisten und Salafisten zu dem Entschluss, gemeinsam zu handeln.
Die Initiatoren aus dem rechtsextremen Hooliganmilieu kommen aus Karlsruhe, Mannheim, Kaiserslautern, Mönchengladbach, Dortmund, Bochum und Herne. Kaum vertreten ist die ostdeutsche Hooliganszene; inzwischen gehen die meisten Aktivitäten vom Ruhrgebiet und aus dem Rheinland aus. Dort, wo die höchste Konzentration gewaltbereiter Fußballfans auf den Schwerpunkt der deutschen Salafistenszene trifft.
Das Forum wurde gehackt und flog auf. Seither aber bringen die Hooligans ihren Protest auf die Straße. Bislang noch mäßig organisiert und ohne erkennbaren Plan. In Mannheim versuchten sie, eine Salafisten-Kundgebung anzugreifen, in Essen einen spontanen Auftritt, der von der Polizei unterbunden wurde. In Dortmund fand Ende September eine angemeldete störungsfreie Demonstration mit 350 Teilnehmern statt, die diese Zusammenkunft zu einer Art Selbstvergewisserung nutzten.
Zwar stellen diese Hooligans keine homogene rechtsextreme Gruppe dar, aber politisch einschlägigen Aktivisten sind zahlreich vertreten, und rechtsextreme Parteien haben längst Anschluss an diese noch überschaubare Bewegung gefunden. Das war bei der Dortmunder Kundgebung gut zu beobachten: Dort tummelten sich Mitglieder der rechtsextremen Borussenfront mit dem Bremer Nordsturm, rechten Hooligans aus Duisburg, Düsseldorf und Bochum, dazu Funktionsträger der islamfeindlichen Partei Pro NRW, von denen die Kundgebung auch angemeldet wurde. Dazu kamen zahlreiche Aktivisten der neu gegründeten rechtsextremen Bewegungspartei Die Rechte, die im östlichen Ruhrgebiet ihre bundesweite Hochburg hat.
Mit dem einsetzenden Niedergang der rechtsextremen Parteien wie der NPD und dem Verbot zahlreicher Neonazi-Kameradschaften, vor allem auch in Westdeutschland, suchen diese Aktivisten nach neuen Protestformen. Auch deshalb mischen sie bei den Hooligans gegen Salafisten mit. Auch einige Rechtsextremisten, die nichts mit der Fußballszene zu tun haben. Die Islamfeindlichkeit ist eine Klammer, die angesichts der aktuellen Hysterie die Szene zusammenhält.
So sieht es auch einer der Rechtsextremisten, die den HoGeSa-Protest aktiv begleiten: "Wir wollen vor allem ein Zeichen gegen den wachsenden Einfluss des Islamismus in Deutschland setzen, weil der Koran nichts mit Deutschland zu tun hat." In den HoGeSa-Internetforen wimmelt es von islamfeindlichen und rassistischen Äußerungen, es wird auf die nationalsozialistische Rassenkunde ebenso abgestellt, wie auf muslimische Männer, die im Geschlechtsakt mit Ziegen karikiert werden.
Auch in Frankfurt demonstrierten am vergangenen Wochenende rund 50 Hooligans "gegen Salafismus". Auch hier waren NPD-Aktivisten dabei: "Wir werden sie jagen und dorthin zurückschicken, wo sie hingehören", verkündete ein Mannheimer Rechtsextremist vor den Teilnehmern, der zu den Mitinitiatoren der ursprünglich virtuellen Bewegung gehört.
Nicht wenige dieser Hooligans sind von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZiS) der Polizei Nordrhein-Westfalen erfasst. Diese hatte in der vergangenen Woche erstmals offizielle Zahlen über rechtsextreme Hooligans in Deutschland veröffentlicht: Demnach liegt die Schnittmenge der sogenannten Gewalttäter Sport mit bekannten Rechtsextremisten bei 400. Dieser Wert ergibt sich aus dem Abgleich der ZiS-Datei mit der bundesweiten polizeilichen Erfassung von Rechtsextremisten.
Seit rund zweieinhalb Jahren kümmert sich auch der für politisch motivierte Straftaten zuständige polizeiliche Staatsschutz um die Fußballszene, die bislang ausschließlich unter dem Aspekt der Gewaltbereitschaft beobachtet wurde. Die Polizei jedenfalls hat die Hooligans gegen Salafisten im Blick. Das wird von den Innenbehörden in NRW ebenso verkündet, wie es aus Ermittlerkreisen zu erfahren ist. Sie beobachten, dass diese Gruppe wächst.
Zugleich versuchen die Hooligans, an die islamfeindliche Klientel außerhalb des Fußballs anzuknüpfen. Über wohlmeinende Berichte etwa auf dem stark frequentierten islamfeindlichen Blog Politically Incorrect, das Pro NRW nahe steht, und dessen Nutzer die Aktivitäten der Hooligans gegen Salafisten stellenweise bejubeln. Gleichwohl distanzieren diese sich per Videoansprache eines rechten Ruhrgebietshools von sämtlichen einschlägigen Parteien: "Wir haben damit nichts zu tun, wir verfolgen nicht deren Ideologie."
Gleichwohl verfängt die Distanzierung nicht, zumal sie von der typischen rechtsextremen Überfremdungsangst übermalt wird. "Möchtet ihr, dass in zehn Jahren gesagt wird, Kollege, nimm den Koran an, oder stirb?", mault der Hooligan in dem eindringlich demagogischen Ton, der sich kaum von dem der Salafistenansprachen auf YouTube unterscheidet. Und die rechtsextreme Bewegungspartei Die Rechte, die mit diesem Hooligan sympathisiert, erkennt auf ihrem Internetblog bereits die "Vorzeichen eines Bürgerkriegs mitten in Deutschland".
Dennoch sehen Sicherheitsbehörden wie Wissenschaftler keinen Grund zum Alarmismus. Der Rechtsextremismusforscher Dierk Borstel von der Fachhochschule Dortmund sieht zwar eine strategische Logik darin, dass sich Rechtsextremisten in Zeiten hoher Konfliktträchtigkeit offensiv zeigen: "Die fühlen sich jetzt in der ewigen Heraufbeschwörung von Bürgerkriegsszenarien bestätigt." Allerdings gibt er zu bedenken, dass sie auch nur versuchen, "ein aktuelles Thema medial für sich zu nutzen".
Eine große gesellschaftliche Akzeptanz werden Rechtsextremisten damit nicht erreichen, so Borstel weiter, trotz der weit verbreiteten islamfeindlichen Einstellungen in Deutschland: "Ich sehe nicht, dass sie damit einen durchschlagenden Erfolg in der Bevölkerung haben." Dafür sei die Berechenbarkeit ihrer Aktionen zu eindeutig.
1.000 Anhänger wollen die Hooligans gegen Salafisten Ende Oktober zur Domplatte nach Köln bringen. Im Internet vertreiben sie bereits Kapuzenpullover und T-Shirts. Wenn es ihnen gelingt, wäre es so etwas wie die größte rechtsextreme Demonstration, die Westdeutschland seit Jahren erlebt hat. Eine direkte Konfrontation zwischen den Hooligans und den Salafisten ist bislang ausgeblieben.
Erschienen in: Die Zeit, 13. Oktober 2014 (Artikel online)
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